Zwölfter Tag: Market Rasen – Beverley (81,89 km)

Die Midlands nach Market Rasen sind mit vielen kräftigen Steigungen versehen. Ich muss sagen, es handelt sich um die erste Gegend in England, die mir so richtig gefällt. Leider ist der Himmel grau.

Irgendwann spricht mich ein entgegenkommender älterer Mann auf einem Rennrad an. Er stellt natürlich die üblichen Fragen und warnt mich gleich vor den englischen Autofahrern. Wir sind uns einig, entweder übertrieben rücksichtsvoll oder einfach gnadenlos rücksichtslos.

Am Nachmittag tausche ich mich über dieses Thema mit einem älteren Mann vor dem Touristenbüro in Hessle aus. Er ist derselben Meinung.

Irgendwann werde ich im Laufe des Vormittages auf einen Bridleway geführt. Mein Wörterbuch kennt dieses Wort nicht. Es scheint eine Art Wanderweg auf Feldwegbasis zu sein. Nicht gerade optimal für ein bepacktes Reiserad. Ich komme zwar mit meinen 35er Marathons klar. Aber breitere Reifen mit Stollen wären angenehmer.

Aber das macht nichts. Ich darf zum ersten Mal wirklich in die Landschaft – also Farmland – hinein. Es ist wunderschön.

Mittags komme ich in Barton-upon-Humber an. Endlich ein Supermarkt. Auf den Bänken vor dem den Supermarkt sitzen vier ältere Ladies. Ich will zuerst fragen, ob ich sie photographieren darf, weil ich solche Frauen aus meiner Jugendzeit für typisch englisch halte.

Nach genauerem Hinsehen verkneife ich mir die Frage, weil ich befürchte, sie könnten diesen Wunsch als verkappten sozialen Voyeurismus empfinden.

Sie sehen verglichen zu deutschen Rentnern extrem verbraucht und körperlich zerschunden aus. Auch die Kleidung scheint älter als ein Jahrzehnt zu sein. Die Stoffe erinnern mich an die Kleidung der DDR-Bürger, als die Mauer geöffnet wurde.

In Tschechien traf ich ähnliche Menschen, deren Körper von einem System zerstört wurde und das nicht genügend Geld für das Alter bereitstellte.

Ich unterhalte mich an einem Nachmittag mit einem älteren Engländer darüber. Er sieht es ähnlich.

In Hessle ein kleiner bis großer Schock. Ich habe in Deutschland keine Karte für die Strecke Hulls nach Middlesbrough kaufen können. Deswegen gehe ich in die Tourisinformation, um die Karte zu bekommen. Man eröffnet mir, dass es diese Karte schon seit zwei Jahren nicht mehr gibt. Kopieren darf ich das einzig Exemplar der Tousinformation nicht, weil noch ein Copyright auf den Karten ist.

Ich frage nach einem Internetanschluss, weil es ja unter http://www.northsea-cycle.com/ Karten zum ausdrucken gibt.

Ich darf den Anschluss der Touristinformation benutzen. Großes Erstaunen bei der Dame der Touristinformation, dass die Route im Netz nicht identisch ist mit der in den Sustranskarten und auch nicht mit der im Prospekt der NSCR dargestellten Route.

Weil ich nicht unhöflich sein will, in dem ich mir alle ausdrucke, gehe ich in die nächste Public Library. Dort gibt es einen kostenlosen Internetanschluss und ich kann gegen eine kleine Gebühr sogar farbig drucken.

Wie dem auch sei, so glücklich bin ich mit meiner Kartensituation gerade nicht.

Am Abend stelle ich auf dem Campingplatz bei Beverley fest, dass das Benzin aus meinem Kocher ausgelaufen ist. Ich habe zum Glück Nachschub. Der Couscous mit Tikkasausce und Hähnchenbruststücken wird trotzdem sehr lecker.