Einer meiner aufregendsten Tage überhaupt auf Radreisen.
Kaum losgefahren entdecke ich von Ferne in einer Sumpfwiese eine Elchkuh. Ich mache meine Kamera schussbereit. Ein Auto kommt entgegen und ich befürchte, dass die Elchkuh geflüchtet ist. Nein, sie steht noch da. So weit verhält sich die Elchkuh wie alle Tiere des Nordens. Doch kaum nimmt sie mich den Radfahrer wahr, flüchtet sie in den Wald. Tiere haben meistens Angst vor Radfahrern.
Die Wiesen sind hier durchsetzt mit Wasserlöchern. Mitten ihm Lauf verschwindet die Elchkuh bis zum Bauch in der Wiese, Wasser spritzt auf. Was man für einen Unfall halten könnte, ist keiner. Die Elchkuh gleitet aus dem Loch, als würde das Wasserloch dazugehören. Es wirkt natürlich und elegant.
Bei dieser Geschichte fällt mir auf, dass bei den Verkehrsschildern zwischen Elch und Rentier unterschieden wird. Elch mit Schaufeln, Rentiere mit Stangen.
Ich will in Båtsfjord das Schiff nach Vardø erreichen. Auf jungfräulich schwarzen Teer fahrend höre ich ein ziemliche lautes Pling. Speichenalarm. Und siehe da. Eine Speiche ist gerissen. Das ist das, was mir gerade noch gefehlt hat. Ich baue eine neue Speiche ein.
Während dessen kommt eine junge Frau Langlauf trainierend an mir vorbei. Wir grüßen uns. Als ich wieder auf der 98 fahre, begegnen wir uns wieder. Wir grüßen uns wie flüchtige Bekannte.
Nach 34 km erreiche ich Tana Bru. Das Zentrum stellt auch nur eine riesige Verkaufsfläche dar.
Irgendwie habe ich einen Knick in der Optik. Obwohl es leicht aufwärtsgeht, sieht es für mich so aus als ginge es leicht bergab.
Nach Tana Bru winkt mir plötzlich ein mich überholender finnischer Motorradfahrer. Mit dem habe ich mich vor zwei Tagen an einer Tankstelle unterhalten.
Und jetzt zum Wetter. Als ich überlege, ob ich mein Hemd wieder im Bach wegen der Hitze einnässen soll, höre ich im Nachbartal Donner grollen. Das Unwetter kommt erst in Form von Blitz und Donner zu mir. Ein Blitz oder Donner löst einen Steinschlag in einem der nahen Berge aus.
Plötzlich sehe ich etwas, was ich bis jetzt noch nicht glaube. Zwei Riesenwolken treiben aufeinander zu. Eine von links die andere von rechts. Sie stehen sich im Weg und kommen nicht weiter. Dann bricht ein Regen mit Hagel los. Jetzt bekommt die Redewendung eines Motorradfahrers „Wir mussten U-Boot spielen“ eine sehr gegenständliche Veranschaulichung.
Es regnet immer wieder von Sonnenschein unterbrochen. Es entstehen Regenbögen. Sogar ein doppelter. Ich werde wieder in ein Hochland über der Baumgrenze geführt. Die Sonne bricht hervor und die Farben sind wunderbar.
Dann geht es abwärts nach Båtsfjord. Ich muss durch die Wolkendecke. Mehrere Kilometer sehe ich teilweise nur 50 Meter weit. Zur Orientierung fahre ich den Seitenstreifen entlang. Mich verblüfft aber, obwohl durch eine Wolke fahrend werde ich nicht nass. Aber es wird höllisch kalt. Heute früh mit kurzen Sachen gestartet, werfe ich mich jetzt in dicke Schale.
Durchgefroren erreiche ich Båtsfjord. Die Hurtigruten ist auch hier nicht ausgeschildert. Es ist auch keiner auf der Straße, den ich fragen könnte.
Irgendwann entdecke ich eine finnische Familie. Sie fahren mir mit dem Auto zum Anleger voraus.
Es gibt nicht wie in Havøysund einen Warteraum. Ich mache es mir so gut wie möglich unter einem Vordach gemütlich und koche. Dann schlüpfe ich in meinen Schlafsack und warte auf das Schiff, dass um ein Uhr nachts kommt. Dank Mitternachtssonne kann ich wunderbar lesen.