13. Tag: Honnigsvåg – Storskjaringa (123.70km)

Als ich aufwache und aufstehe, sind alle Zelte bis auf eines weg. Bin ich zu spät und bekomme die volle Ladung Nordkaptunnel ab? Ich werfe keinen Blick auf die Uhr und beeile mich, aber muss ich trotzdem eine halbe Stunde warten, bis der Supermarkt öffnet. Also doch nicht so spät.

Während ich photographiere, kommt ein Radler vorbei, den ich kurz vor der finnisch-norwegischen Grenze getroffen haben. Er ist über Finnland nach Kirkenes und jetzt mit dem Postschiff zum Nordkap. Er ist mit seiner Nexus 8 Gangschaltung gut zurechtgekommen. Er hat keine Klagen.

Durch Zufall stellen wir fest, dass wir die gleiche Beobachtung gemacht haben. Wir haben immer mehr Kilometer auf dem Tacho als die Navisoftware behauptet. Die Straßenschilder würden auch mehr anzeigen als die Navis und haben immer Recht behalten. Wahrscheinlich rechnen die Navis die Höhenmeter nicht mit.

Auf dem Weg zum Tunnel-kann ich die Berg- bzw. Geländetauglichkeit von Rentieren beobachten. Das sind ziemliche Kletterer. Ich bin beeindruckt.

Vor dem Nordkaptunnel kommen noch zwei andere Tunnel. Erst ein 4 km langer Tunnel. Dann ein ganz Kurzer. Der erste Tunnel war heute der angenehmste, weil der Seitenstreifen sehr breit ist und auf einer Ebene mit der Fahrbahn. Man kann vor sich hinzuckeln und kommt keinem ins Gehege.

Was jetzt kommt, verstehen musikalisch gebildete Menschen. Aus einer Schnapslaune probiere ich das Echo aus. Dass aus Wesel Esel wird funktioniert nicht. Aber einen Effekt, der in halligen Kirchen funktioniert, aber den man aus Anstandsgründen nicht ausprobieren darf. Mehrere hintereinandergesungene Töne klingen im Nachhall des Tunnels zusammen und ergeben ein Intervall oder Akkord. Im Nordkaptunnel funktioniert es am besten, weil der Nachhall am längsten ist. Bei der Auffahrt trällere ich fleißig vor mich hin.

Der Nordkaptunnel. Zu erst geht es mit 10 Prozent 3 km abwärts, dann wieder 3 km 9 Prozent hoch. Wobei die 9-Prozentrampe etwas kürzer ist als die 10-Prozentrampe. Es gibt also eine einfachere Richtung.

Ich rase hinab. Das einzige sicherheitsrelevante Problem für mich war, obwohl Brillenträger, dass die Augen furchtbar zum Tränen angefangen haben.

Die Abfahrt hat man schnell hinter sich. Dann kommt der Aufstieg.

Zuerst nehme ich den Fußgängerweg. Aber er ist zu schmal oder ich zu wackelig für ihn. Deswegen gehe ich auf die Fahrbahn. Weil die Steigung konstant ist, komme ich in einen Rhythmus und kurble mich hoch. Wenn es total ruhig ist, höre ich meinen Atem, das Wasser tropfen und rinnen und das Geräusch des Tretens. Eigentlich eine sehr schöne Atmosphäre.

Komischerweise gibt es auf der Südseite zwei Dinge, die es auf der Nordseite nicht gibt. Als Erstes wären die Ventilatoren zu nennen, die ohrenbetäubenden Lärm produzieren. Man hört deswegen keine Autos mehr. Das geht ungefähr über einen Kilometer. Am Südausgang wird man mit sirenenartigen Pfeiftönen beschallt. Vermutlich Rentierabwehr.

Akustisch ist der Tunnel ein Verstärker der Autogeräusche. Deswegen waren die Autos weiter weg, als ich dachte. Bei entgegenkommenden Autos glaubte ich immer zu erst, sie kämen von hinten.

Erfreulicherweise kommen mir nur Laster entgegen, keiner überholt mich. Um 11:45 überholt mich der REMA 1000 Laster kurz nach dem Tunnel. Ich nehme an bis Mittag liefern die Laster nach Honigsvåg und fahren dann wieder ab.

Als ich in den Tunnel einfahre, kommt mir eine Radfahrerin entgegen. So wie es aussieht, ist sie den Tunnel aus sportlichen Gründen gefahren. Manche haben einen Hausberg, andere einen Haustunnel.

Fazit: Der Tunnel war nicht so schlimm wie befürchtet. In gewisser Weise war es ein schönes Erlebnis.

Als ich aus dem Tunnel herauskomme, schlägt mir Wärme entgegen. Nicht weil es im Tunnel ziemlich kalt war, sondern weil es wirklich warm geworden ist. Ich fahre trotz späterem Regen und zugezogener Wolkendecke mit kurzer Hose. Ich rede sogar von Schwüle.

Der meiner Meinung nach ekelhafteste Tunnel auf der Strecke ist der Skarvbergtunnel. Sehr nass, sehr schlechter Asphalt und sehr kurvig.

Auf der Strecke begegnet mir wieder der Rolls-Royce von gestern. Heute erkenne ich ein schweizerisches Nummernschild. Die E69 fährt sich sehr gut. Ich rase regelrecht dahin. Eine Entschädigung für die Schinderei der letzten paar Tage.

Ich fahre in Südrichtung. Die Landschaft ist wie meist in diese Richtung farblich bleich und fahl. Wenn ich zurück Richtung Norden blicke, gibt es farblich attraktive Aussichten. So bemerke ich die norwegische Motivklingel. Die Parkbuchten weisen auf zu Photographierendes hin.

Am Abend gerate ich in einen starken Schauer. Werde dann durch Regenbögen entschädigt.

Erstaunlich, was alles auf diesen 100 Kilometern passiert. Die Birken wachsen wieder. Es wird deutlich wärmer. Den heutigen Abend hätte ich auch in Deutschland erleben können.

Mein Gaskocher merkt das auch. Der brennt wieder richtig gut. Der war nicht fast leer. Dem war zu kalt.